Bundesverwaltungsgericht schließt S8-Verfahren: Schock für leidgeplagte Bevölkerung – Freude für S8-Gegner

So wie es aussieht, ist die Genehmigung der geplanten S8 nach 15 langen Jahren mühsamen Kampfes Geschichte. Am Dienstag, 13.Oktober überraschte das Bundesverwaltungsgericht, einen Tag früher als erwartet, mit der Schließung des Verfahrens. Zuvor hatte sich der Naturschutz-Gutachter erneut gegen die geplante Trasse ausgesprochen, da das Vorhaben nicht mit den Erhaltungszielen des „Europaschutzgebietes“ vereinbar sei.

Die Gegner, allen voran Wolfgang Rehm, Sprecher der Umweltorganisation VIRUS und Sprachrohr der Bürgerinitiative Marchfeld (BIM), sehen sich in ihrem Kampf gegen die Schnellstraße bestätigt. „Der Richtersenat des Bundesverwaltungsgerichts ist nach einem weiteren negativen Sachverständigengutachten und einigen Stunden Erörterung zur Ansicht gelangt, dass das Verfahren entscheidungsreif ist und hat das Ermittlungsverfahren geschlossen. Nun gilt es, das Urteil abzuwarten“, so Rehm.

Führt beharrliche Trassenplanung durch Triel-Vogelschutzgebiet nun zum AUS?

Mit einer Genehmigung durch ein weiteres Ermittlungsverfahren rechnet der S8-Gegner aufgrund der Aktenlage nicht. Sämtliche „Angriffsversuche“ durch den Projektwerber Asfinag und durch das Land NÖ hätten laut Rehm nicht gefruchtet, „da in Gestalt des vom Land NÖ kürzlich erweiterten Triel-Vogelschutzgebietes ein massives Genehmigungshindernis bestehen würde“. Seit 15 Jahren sei dieses Faktum bekannt und wurde in all den Jahren von Projektwerbern und dem „alten Verkehrsministerium“ ignoriert, wie Rehm meint.

Vor allem an Landesrat Ludwig Schleritzko (Ex-Direktor des Nationalparks Thayatal) übt Rehm heftig Kritik. Das S8-Projekt hänge seit Jahren als Mühlstein um den Hals der Marchfeldregion, obwohl Untersuchungen des Landes NÖ im Rahmen des Marchfeldteams selbst gezeigt hätten, dass es verkehrlich, räumlich und umweltmäßig bessere Lösungen gäbe. Das Land NÖ – so Rehm – nahm die Region seit Jahrzehnten in „Geiselhaft“, damit die Asfinag und nicht das Land dafür zahlen muss. Nun gelte es, „mit einem sehr guten Plan-B anzusetzen, als letztendlich mit nichts dazustehen“, so der BI-Sprecher.

Schleritzko: Menschenschutz geht vor Vogelschutz

Mobilitätslandesrat Schleritzko hat „kein Verständnis für einzelne Autogegner, die mit ihren Winkelzügen tausenden von Menschen die Chance auf mehr Lebensqualität nehmen wollen. Weder ich, noch die Bewohnerinnen und Bewohner des Marchfelds sehen ein, wenn für einen Vogel, den dort noch nie jemand gesehen hat, die Entwicklung einer ganzen Region verhindert wird“. Die Folgen einer Negativ-Entscheidung wären fatal für die BewohnerInnen vor allem der Orte Gänserndorf, Strasshof oder Deutsch-Wagram, die mit täglich 24.000 Fahrzeugen – darunter 2.000 LKW´s – konfrontiert sind.

Schleritzko fordert: „Der Schutz der Bewohnerinnen und Bewohner dieser verkehrsgeplagten Strecken muss Vorrang haben“. Aber nicht nur die vorherrschende Verkehrshölle in den Orten mache den S8-Bau dringend notwendig, auch die wirtschaftliche Situation stagniere bei einem Aus der geplanten Schnellstraße. Schleritzko: „Betriebsansiedlungen sind nicht möglich, weil sich die Verkehrslage weiter verschärfen würde“. Die Folge sei ein enormer PendlerInnenanstieg in der Wachstumsregion und somit mehr Verkehr. 

SP-Landtagspräsidentin Karin Renner ist enttäuscht über den Verfahrensschluss und zornig darüber, wie man hier „Millionen von Euro Steuergeldern verschleudert“. Renner: „Ich bin auch für den Naturschutz, aber hier gehen die Menschen bevor. Es ist Wahnsinn, was die Betroffenen in den Orten mitmachen. Sie können nicht einmal Straßen überqueren oder aus einer Seitenstraße herausfahren“. 

Forderung nach Gutachten für mehr Lebensqualität der Bevölkerung

In Markgrafneusiedl habe man bereits an einem Tag 25.000 Autos gezählt. Bei so einer Problematik nur den Vogel im Fokus zu haben, mache Renner sprachlos. Gemeinsam mit SP-Verkehrssprecher LAbg. Gerhard Razborcan pocht sie auf eine rasche Umsetzung der S8. Das Verdrängen des Verkehrs aus den Ortskernen hätte positive Auswirkungen auf PendlerInnen und auch auf die ansässigen Wirtschaftsbetriebe, die seit mehr als 20 Jahren mit der täglichen Verkehrslawine zu kämpfen hätten. 

Nachdem ein Gutachten nach dem anderen zurate und somit die Verhandlung über einen Baustart in die Länge gezogen wird, fordert Renner die Zuziehung mehrerer Gutachter, welche ein Gutachten für mehr Lebensqualität in der Region Marchfeld erarbeiten. Renner: „Seit Beginn der 2000er Jahre wird die von Lärm und Schadstoff geplagte Bevölkerung hingehalten. Vielleicht braucht es ein Gutachten, das bestätigt, dass der Bau der S8 für mehr Lebensqualität bei mehr als 50.000 unmittelbar betroffenen AnrainerInnen sorgt, um endlich zu einer positiven Entscheidung zu gelangen!“.

Grüne-Bergauer: Es gibt Grobentwürfe für alternative Umfahrungsstraßen

Grüne-Gemeinderätin Bettina Bergauer (Deutsch-Wagram) zeigt sich über die aktuelle Entwicklung nicht überrascht. „Es war von Anfang an klar, dass das ein Naturschutzgebiet ist. Man ist 20 Jahre lang dem Phantom S8 nachgelaufen und hat es verabsäumt, Alternativen auszuarbeiten. Das muss jetzt schnellstens in Angriff genommen werden, denn die Verkehrsbelastung auf der B8 im Ortsgebiet – gerade bei uns in Deutsch-Wagram – ist für die Anwohner unerträglich“, meint Bergauer.

Seit langem gäbe es Grobentwürfe für Umfahrungsstraßen. Jetzt müsse es in die Detailplanung gehen. „Öffentliche Verkehrsmittel müssen gestärkt und alternative Mobilitätsangebote, wie Car-Sharing, Radschnellverbindungen, etc. geschaffen werden. Nahversorger, Schulen, Kindergärten, Ärzte, Kulturveranstaltungen, etc. im Grätzel können viele Autofahrten ersparen“, so Bergauer.

Lobner: „Leute stehen hinter dem Projekt“

„Dass die Marchfelderinnen und Marchfelder hinter dem Projekt stehen zeigt der Zulauf zu unserer überparteilichen Initiative ‚Ja-zur-S8‘: Mittlerweile haben mehr als 9.200 Personen aktiv ihre Unterstützung ausgesprochen. Ich und meine Bürgermeisterkolleginnen und -kollegen fordern die sofortige Entlastung für die Region“, betont Lobner.

Wie Landtagspräsidentin Karin Renner mitteilt, habe Landesrat Schleritzko die Beteiligten für Donnerstagabend zu einem gemeinsamen Treffen geladen, wo vermutlich über eine weitere solidarische Vorgehensweise beraten wird.

Maria Köhler

Foto: Symbolfoto / pexels.com

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