BVwG weist Verfahren zurück: Nur wenn es keine umweltverträglichere Alternative gibt, hat S 8-Realisierung noch eine Chance

Wie in der August-Ausgabe der RUNDschau Gänserndorf berichtet, gingen die regionalen Politiker im Sommer solidarisch vereint auf die Straße, um demonstrativ für den geplanten Bau der S 8 Marchfeld Schnellstraße aufzutreten und eine rasche Realisierung zu fordern. Das Verfahren zieht sich nun seit vielen Jahren ergebnislos dahin. Anhänger werfen dem Bundesverwaltungsgericht eine „träge Entscheidungsbereitschaft“ vor. Wenige Wochen nach der Demo wartet das Gericht nun mit einem Negativbescheid auf, der die Befürworter erst recht auf die Barrikaden steigen lässt. 

Wie das BVwG in seiner Presseaussendung aktuell mitteilt, werde das UVP-Verfahren zur S 8 aus „naturschutzrechtlichen Gründen“, aber auch wegen eines Verfahrensfehlers – zumindest vorläufig – nicht genehmigt und zur Mängelbehebung an das Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie (kurz BMK) zurückverwiesen. Die Umsetzung der geplanten Trasse  stünde nicht im Einklang mit den vor Ort relevanten Naturschutzbestimmungen, heißt es seitens des Richtersenats. 

Gericht fordert alternative Lösungsvorschläge zur S 8

Eine Realisierung würde demnach zur erheblichen Beeinträchtigung des Vogelschutzgebietes führen, das 2009 von der NÖ Naturschutzabteilung entsprechend dem Triel-Vorkommen erweitert wurde. Das BVwG fordert daher eine Alternativenprüfung, bei der zu klären sei, ob nicht alternative Trassenführungen mit geringeren Auswirkungen möglich seien. Sollte sich herausstellen, dass die geplante Streckenführung die naturverträglichste ist, so müsse man prüfen, ob zwingende Gründe des öffentlichen Interesses dem Naturschutzinteresse voranzustellen seien oder nicht.

Sollte dies der Fall sein, so könne laut BVwG der Bau und Betrieb der geplanten S 8-Trasse unter den genannten Voraussetzungen realisiert werden. Diese Alternativenprüfung im Bewilligungsverfahren und in der Strategischen Prüfung Verkehr vermisste das Gericht bereits  zum Vorlagezeitpunkt. Die Sachverhaltsermittlungen, insbesondere die Variantenprüfung hätte das Gericht selber  nur durch ein zeit- und kostenaufwändiges Verfahren nachholen können. Somit wurde dieses zur Ergänzung an die Behörde zurückverwiesen.

S 8-Gegner ärgern sich über Verfahrensverschleppung –
GRÜNE hinterfragen Notwendigkeit

Die Entscheidung des Gerichts nervt Befürworter und Gegner gleichermaßen. S 8-Gegner Wolfgang Rehm, Sprecher der beschwerdeführenden Umweltorganisation VIRUS sowie der Bürgerinitiative Marchfeld, sieht das Verfahrensende lediglich als „hinausverzögert“. Dieser Meinung ist auch GRÜNE-Bezirkssprecherin Beate Kainz: „Die Zurückweisung kann nur als Zwischenergebnis gewertet werden und das Ende der S 8 wird weiter verzögert. Unabhängig von irgendwelchen Straßenbauplänen muss jetzt der ÖV in der Region massiv ausgebaut werden“. 

Aus den Ursprungsplänen zur Entlastung der B 8, die verschiedene Überlegungen hinsichtlich kleinräumiger Umfahrungen beinhalten, wurde die S 8. Dabei – so Kainz – könnten diese überarbeitet und angepasst werden. Grundsätzlich aber – so die GRÜNEN solidarisch – „sollten sich die auf die S 8 beharrenden Politiker dringend überlegen, ob die Forderung nach dem Bau einer hochrangigen Straße tatsächlich noch in Zeiten der Klimakrise ihre Berechtigung habe“. 

Auch in e-Mobilitätszeiten sind Straßen notwendig

Von der Notwendigkeit der hochrangigen Straße sehr wohl überzeugt sind Regional- und Landespolitiker – so auch VP-LAbg. Bgm. René Lobner, der die Infrastrukturministerin zur Handlung im Sinne der AnrainerInnen auffordert.  „Ministerin Gewessler darf keine Zeit mehr verlieren und muss für die Entlastung von 18.000 MarchfelderInnen sorgen“. Durch den stockenden Verkehr seien diese unnötiger Umweltbelastungen ausgesetzt. Darüber hinaus koste der Stau den PendlerInnen täglich eine halbe Stunde Lebenszeit. Die überparteiliche Initiative „Ja-zur-S8“ werde mittlerweile von 10.000 Menschen unterstützt, „um endlich eine wirkungsvolle Antwort auf die tägliche Verkehrslawine zu bekommen“, so Lobner.

„Die Leidtragenden sind die BürgerInnen, sie müssen nun weiter auf 14,4 Kilometer Entlastungsstraße warten. Eines ist in jedem Fall klar: Auch morgen und übermorgen werden wir Autos, Busse und Lastwägen brauchen. Sie werden vielleicht nicht mehr mit Benzin oder Diesel angetrieben, aber außerhalb des Wiener Gürtels werden auch in Zukunft nicht alle Wege zu Fuß, mit dem Fahrrad oder der Straßenbahn erledigt werden können. Wir werden also in jedem Fall leistungsfähige Straßen brauchen“, beharrt Lobner. Der Ball liege nun bei Umweltministerin Leonore Gewessler, von der er sich eine Antwort im Sinne der Mehrheit der MarchfelderInnen erwarte.

Bemühungen um S 8 werden weitergehen

Eine klare Ansage der Ministerin erwartet sich auch Bgm. Friedrich Quirgst aus Deutsch-Wagram, der sich erschüttert zeigt, „dass Menschenschutz weniger wert ist als Tierschutz. Noch dazu bei dieser Dimension, es handle sich ja nur um ein oder zwei Triel-Pärchen. „Die haben mehr Rechte als 60.000 Menschen“, ärgert sich das Stadtoberhaupt. Die Bemühungen um die S 8 werden jedenfalls weitergehen. Auch werde er erneut ein Schreiben an die Umweltministerin richten, die die vorangegangenen bis dato weder beantwortet noch bestätigt habe. 

Was den Schutz des Triel anbelangt, so könnte man seiner Meinung nach „die Straße bei Markgrafneusiedl, wo der Triel vorkommt, einhausen und mit Schotter bedecken . Damit wäre der Lebensraum des Triel gesichert  und das Straßenprojekt könnte endlich durchgezogen werden“, so Quirgst. Denn schön langsam verlieren die Menschen ihre Geduld, es brodelt in der Region. Man wolle nun härtere Maßnahmen ergreifen, heißt es dort. Der Verkehrswahnsinn und die mangelnde Aussicht auf ein Ende der Verkehrshölle erzeugt Ärger und sogar Aggressionen bei den Betroffenen.  

„Der  Stop and Go-Verkehr und der daraus resultierende Schadstoffausstoß belastet 60.000 Menschen. Eine Umfahrung ist in jedem Fall notwendig, weil auch e-Autos eine Straße brauchen“, so Bgm. Quirgst, der keine andere Lösung weiß, als die S 8. Die anfangs im Gerede gewesenen Alternativen „gibt es nicht. Wo sollen diese sein? Man weiß, dass bei einer derart hohen Belastung kleinräumige Umfahrungen nicht funktionieren. Außerdem erreichen die  nicht alle Verkehrsströme. Alles nur Unsinn“, ärgert sich das Stadtoberhaupt.

Raasdorf-Bgm. Krutis „Minister scheren sich nicht um die Region“

Für Bgm. Walter Krutis aus Raasdorf „bricht schön langsam die Welt zusammen. In unserer Gemeinde kommen fünf Straßen zusammen. Durch unseren Ort fahren täglich 20.000 PKW´s, davon 2.000 bis 3.000 LKW´s, die Schotter und Gemüse nach Wien bringen und zwei Meter an den Schlafzimmern der Menschen vorbeidonnern. Seit 16 Jahren  herrscht hier ein unerträglicher Zustand. Wir haben in den letzten zwei  Jahren für die Eisenbahn, für die Kanalumlegung, für die Pflege usw. zwei Drittel unseres Jahresbudgets investiert. Dass man im Zuge des S-Bahn-Ausbaus eine S-Bahn ins Marchfeld verlegt, auf die Idee kommt keiner“, klagt Krutis. 

„Aber Hauptsache, der Triel zählt mehr als die unter der Verkehrslast leidenden Menschen“, so Krutis, „da kann man nur deprimiert sein“.  Von den S 8-Gegnern angesprochene Umfahrungen seien laut dem Raasdorfer Ortsoberhaupt nicht vorhanden und auch nicht möglich. Die InfrastrukturministerInnen, egal welche/r würden sich seiner Meinung nach nicht um die Region scheren, dabei sei die wirtschaftliche Entwicklung von hochrangigen Straßen abhängig. „Alle anderen Großstädte haben einen Ring, Wien nicht einmal einen halben. Wer soll sich dann hier ansiedeln, wer tut sich den Stau an?“, fragt sich der Orts-Chef. Absagen von Großbetrieben gäbe es schon, sie schmerzen besonders.

„Region braucht dringend infrastrukturellen Schub“

Bgm. Monika Obereigner-Sivec aus Groß-Enzersdorf meint: „Natürlich ist es legitim, im Laufe eines Verfahrens zu optimieren, Varianten zu prüfen usw., im Laufe von Jahrzehnten verändern sich Rahmenbedingungen. Leider erfolgt dies aktuell zu Lasten der Region, die dringend einen infrastrukturellen Schub braucht. Man kann nicht auf die Entwicklung einer Region setzen und dann die Rahmenbedingungen nicht schaffen wollen“, so die Stadtl-Chefin.

Wenn keine Veränderungen für den Individualverkehr kommen sollen, müsse der ÖPNV ausgebaut werden. Stelle sich nur die Frage, wie die Bevölkerung geschützt und entlastet werden könne, wenn keine Alternativen gebaut werden? Obereigner-Sivec: „Sich nur auf Straßenbauprojekte zu fokussieren und alternativ zuzuwarten, dass sich alles lösen wird, ist nicht zukunftsweisend. Ich erhoffe mir von den zuständigen Stellen und Beteiligten (Bund und Land) rasch umsetzbare Maßnahmen, damit die Region nicht weiter in ihrer Entwicklung gehemmt ist und die Bevölkerung entlastet wird“.

“Wir haben die Trasse vor 20 Jahren beschlossen. Die Situation ist eine Zumutung für die Anrainer.”

3. Landtags-Präsidentin Karin Renner: „Ich möchte schon gar nichts mehr zu dieser Sache sagen. Wir haben die Trasse vor 20 Jahren beschlossen. Das ist ein Wahnsinn. Die Situation ist eine Zumutung für die Anrainer, für die Pendler und auch für die Wirtschaft“. 

Maria Köhler

Foto: Symbolbild / pexels.com

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