Knalleffekt! Marchfeld Schnellstraße S8 bekommt aus naturschutzrechtlichen Gründen keine Genehmigung!

Die Genehmigung der Marchfeld Schnellstraße (S8) ist (vorerst) entschieden: Sie wird aus “naturschutzrechtlichen Gründen” nicht genehmigt. Laut Bundesverwaltungsgericht hat die zuständige Behörde nun “in einem fortgesetzten Ermittlungsverfahren eine fundierte Alternativenprüfung für verschiedene mögliche Verkehrslösungen nachzuholen”.

In einer Aussendung des Bundesverwaltungsgerichts heißt es: „Das UVP-Verfahren zur S8 Marchfeld Schnellstraße wurde vom Bundesverwaltungsgericht aufgrund von Mängeln im Behördenverfahren und der Missachtung naturschutz- und artenschutzgesetzlicher Bestimmungen an das Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie (BMK) zurückverwiesen“.

Die bisherigen Planungen der S8 sahen eine Streckenführung südlich von Deutsch-Wagram, Strasshof und Gänserndorf vor. In weiterer Folge sollte die Trasse in Richtung Südosten verlaufen und ab Schönfeld parallel zur Marchegger Ostbahn in Richtung Staatsgrenze bei Marchegg. Hier sollte eine Querung der March folgen, wo die Schnellstraße an die D2 bzw. die geplante Umfahrung von Bratislava, den sogenannten 0-Ring, münden soll.

“Betroffener Teil des Lebensraums des Triels hätte als Vogelschutzgebiet ausgewiesen werden müssen”

Nun ist die Umsetzung dieses Vorhabens mehr als unsicher. Als Begründung für die Ablehnung einer Genehmigung gibt das Bundesverwaltungsgericht folgendes an: „Nach der ersten mündlichen Beschwerdeverhandlung im Februar 2020 stand für den Richtersenat fest, dass die Trasse der S8 durch den Lebensraum des Triels geführt werden soll. Diese Vogelart ist sowohl nach der Vogelschutzrichtlinie der Europäischen Union (VSch-RL) als auch nach der NÖ Artenschutzverordnung geschützt und in Österreich vom Aussterben bedroht. Der betroffene Teil des Lebensraums des Triels hätte als Vogelschutzgebiet ausgewiesen werden müssen. Das Schutzgebiet „Sandboden und Praterterrasse“ war jedoch im Jahr 2009 von der NÖ Landesregierung zu klein ausgewiesen worden”.

Aus Sicht des Richtersenats war das Behördenverfahren bereits zum Zeitpunkt der Vorlage der Beschwerden an das Bundesverwaltungsgericht mit einem Mangel behaftet. Im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht habe sich ergeben, “dass weder in der Strategischen Prüfung Verkehr noch im Bewilligungsverfahren der Behörde eine ausreichende Alternativenprüfung stattgefunden hat”, so die Aussendung des Bundesverwaltungsgerichts.

Wie geht es nun mit der S8 weiter? Behörde muss entscheiden, “ob die beantrage Streckenführung die naturverträglichste ist”.

Wie geht es nun weiter? Die Behörde hat nun in einem fortgesetzten Ermittlungsverfahren eine fundierte Alternativenprüfung für verschiedene mögliche Verkehrslösungen nachzuholen. Und falls sie zu dem Ergebnis kommt, dass die beantragte Streckenführung die naturverträglichste ist, darauf aufbauend eine Interessensabwägung durchzuführen. Entsprechend der Ergebnisse dieser Prüfschritte hat die Behörde das Verfahren zu ergänzen oder falls sie zum Ergebnis kommt, dass die beantragte Streckenführung nicht die naturverträglichste ist den Bewilligungsantrag abzuweisen.

“Ist gut, dass der seinerzeitige Skandalbescheid
für die S8 jetzt annulliert ist”

UVP-Experte Wolfgang Rehm, Sprecher der beschwerdeführenden Umweltorganisation
VIRUS und der Bürgerinitiative Marchfeld (BIM) meint dazu: “Es ist gut, dass der seinerzeitige Skandalbescheid für die S8 jetzt annulliert ist aber so wird das Ende der S8 noch hinausgezögert, das Bundesverwaltungsgericht hätte selbst entscheiden und den Antrag abweisen müssen.

“Wir haben die Behörde über Jahre darauf hingewiesen, dass dem Europäischen Naturschutzrecht Genüge zu tun ist. Dies wurde ignoriert aber nun vom BVwG eingemahnt und wieder an die Behörde delegiert, im Gegensatz zum Land Niederösterreich nimmt die EU ihre Richtlinien ernst,” so Rehm. Autobahnen seien bis hin zu einem eigenen Sonderverfahrensrecht vielfach privilegiert, und die Behörde im Verkehrsministerium habe nicht ergebnisoffen sondern “tendenziösest” agiert. “Ansonsten hätte das Verfahren spätestens 2016 zu Ende sein müssen und Minister Hofer hätte nicht nach drei Jahren Behördenverschleppung 2019 den jetzt aufgehobenen Bescheid ausstellen dürfen”, so Rehm.

“Verfahrensfehler kostet Bevölkerung Zeit bis zur Entlastung”

NÖ-Mobilitätslandesrat Ludwig Schleritzko: „Das Verkehrsministerium und die ASFINAG hätten die nun geforderte Alternativenprüfung von Anfang an durchführen können. Stattdessen kostet ein derartiger Verfahrensfehler nun der Bevölkerung im Marchfeld wieder Zeit bis zur Entlastung. Man kann darüber nur den Kopf schütteln”.

Das Land NÖ wird gegen diese Entscheidung des BVwG Rechtsmittel bei den Höchstgerichten ergreifen. „Wir gehen gegen die in unseren Augen rechtswidrige Zurückverweisung der Sache vom BVwG an das Ministerium vor. Es kann nicht sein, dass vom BVwG ein Verfahrensschritt gefordert wird (Alternativenprüfung), den das BVwG aber selbst verweigert hat und auch das BMK bisher nicht durchgeführt hat”, so der Landesrat zu den rechtlichen Konsequenzen.

„Ungeachtet des Rechtsmittels an die Höchstgerichte hat das Verkehrsministerium aber seine Aufgabe wahrzunehmen und ist gefordert rasch zu arbeiten. Die Verantwortlichen sollen dabei die berechtigten Interessen der Bevölkerung im Auge behalten, die tagtäglich unter 35.000 Fahrzeugen vor ihren Häusern und Wohnungen leiden. Das Verkehrsministerium soll daher endlich die Alternativenprüfung durchführen und sich nicht weiter verweigern”, fordert Schleritzko.

S1: Erster Abschnitt genehmigt, Tunnelstrecke
zwischen Groß-Enzersdorf und Schwechat noch nicht

Auch zur geplanten S1 gibt es Neuigkeiten. “Für die Realisierung des ersten Verwirklichungsabschnitts der S1 Wiener Außenring Schnellstraße liegen nun alle Genehmigungen rechtskräftig vor. Für den zweiten Verwirklichungsabschnitt, die Tunnelstrecke zwischen Groß-Enzersdorf und Schwechat („Lobautunnel“), liegen derzeit noch nicht alle behördlichen Genehmigungsverfahren vor. Erst nach Vorliegen der behördlichen Genehmigungen können allfällige dagegen erhobene Beschwerden vom Bundesverwaltungsgericht behandelt werden.

Mit dem rund 19 Kilometer langen gegenständlichen Abschnitt der S1 soll der Straßenring (Regionenring) um Wien geschlossen und eine Verknüpfung mit der geplanten Stadtstraße in Richtung A 23 Südosttangente Wien und der geplanten S8 Marchfeld Schnellstraße ermöglicht werden. Durch den Lückenschluss der S1 sollen die Ortskerne von Eßling, Aspern, Groß-Enzersdorf und Raasdorf entlastet und damit die Verkehrssicherheit erhöht werden.

Am Bild: Demonstranten für die S8 vor dem Infrastrukturministerium, im Februar 2020.

Foto: VPNÖ

Hannes C. Huber

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