Am Freitag, 20. November fand eine Online- zur geplanten Marchfeldschnellstraße S8 statt. Mit von der Partie: nahmen Mobilitäts-Landesrat Ludwig Schleritzko, Gänserndorfs Bürgermeister, Landtagsabgeordneter René Lobner, ASFINAG Geschäftsführer Alexander Walcher, Landschaftsökologe Thomas Knoll und Triel-Experte Rainer Raab.
Das Verfahren um die Genehmigung der Marchfeld Schnellstraße (S8) ist bereits eine unendliche Geschichte. Zuletzt hatte sich der Naturschutz-Gutachter vor dem Bundesverwaltungsgericht (BVG) erneut gegen die geplante Trasse ausgesprochen, weil das Vorhaben nicht mit den Erhaltungszielen des „Europaschutzgebietes“ vereinbar sei. Die geplante Straße führe durch das Brutgebiet des Vogels Triel.
Die derzeitigen Planungen sehen eine Streckenführung südlich von Deutsch-Wagram, Strasshof und Gänserndorf vor. In weiterer Folge verläuft die Trasse in Richtung Südosten und – in einem zweiten Abchnitt – ab Schönfeld parallel zur Marchegger Ostbahn Richtung Staatsgrenze bei Marchegg.
“Auch durch Wolkersdorf fuhren vor dem Bau der Nordautobahn etwa 30.000 Fahrzeuge pro Tag”
“Die geplante S8 ist ein sehr wichtiges Projekt für das Marchfeld und die Region im Osten Wiens. Ich beschäftige mich bereits seit meinem Einstieg in die Landesregierung 2017 sehr intensiv damit. Wir wissen, dass etwa 30.000 PKWs und 3.000 LKWs täglich durch Gänserndorf, Deutsch Wagram, Strasshof, Raasdorf und Markgrafneusiedl fahren. Die Belastung sorgt für Lärm und Abgase direkt vor den Haustüren der Bewohner und somit eine sinkende Lebensqualität. Der Vergleich mit der Nordautobahn ist hier interessant: Bevor diese Autobahn eröffnet wurde fuhren durch Wolkersdorf auch etwa 30.000 Fahrzeuge. Seither hat sich die Lage und Lebensqualität in Wolkersdorf extrem verbessert. Deshalb sind wir natürlich dafür, dass die S8 schnellstmöglich umgesetzt wird”, so Landesrat Schleritzko. Er nennt eine Grenze von 20.000 Fahrzeugen pro Tag, ab der eine 4-spurige Straße in einer Region für den idealen Straßenverkehr Sinn macht.
Schleritzko sieht aktuell auch Probleme für Betriebsansiedelungen in der Region: “Durch die neue S8 würde die bessere Verkehrsanbindung auch für die Wirtschaft einen deutlichen Aufschwung bedeutet.” Alternativen für die S8 sieht er nicht wirklich: “Auch wenn wir kleine Umfahrungen der einzelnen Orte statt der S8 machen würden, müssten diese ebenso 4-spurig werden und ebenso lange geplant werden wie die S8. Dies würde also eine enorme Verzögerung für das Projekt bringen. Bei der S8 wird bereits seit 15 Jahren an der Planung gearbeitet.”
“S8 ist eine schier unendliche Geschichte. Seit mehr als 20 Jahren wird an dem Projekt geplant”
ASFINAG-Geschäftsführer Alexander Walcher spricht bei der S8 von “einer schier unendlichen Geschichte. Seit mehr als 20 Jahren wird an dem Projekt geplant. Bereits 2006 wurde es – nach einer „strategischen Prüfung Verkehr“ im Bundesstraßengesetz aufgenommen. Dort wurde der Nachweis der Notwendigkeit einer Schnellstraßen-Verbindung in das Marchfeld eindeutig festgestellt.” Walcher blickt auf bewegte Jahre zurück: “2009 haben wir schließlich das UVP-Verfahren eingereicht und 2019 vom Ministerium endlich den positiven UVP-Bescheid erhalten. Anschließend gab es, wie bei ähnlichen Straßenprojekten üblich, Einsprüche von Bürgerinitiativen. Im Februar 2020 fand die Verhandlung in zweiter Instanz beim Bundesverwaltungsgericht statt. Plötzlich wurde ein zweiter, neuer Sachverständiger für den Vogel Triel eingesetzt. Dabei wurde festgestellt, dass der Triel außerhalb des Naturschutzgebietes brütet und es sich bei der geplanten Trasse daher nun um ein Vogelschutzgebiet handelt. Durch diese Feststellung war es nicht mehr möglich mit Ausgleichsmaßnahmen für Flora und Fauna das Projekt weiter zu führen. Damit war eine Pattstellung gegeben. Trotzdem war es für uns unerwartet, dass das Gericht das Ermittlungsverfahren geschlossen hat.”
Das Land Niederösterreich reagierte daraufhin rasch und vergrößerte das NATURA2000 Naturschutzgebiet. Dadurch befindet sich die geplante S8-Trasse im NATURA2000 Gebiet und somit war die Weiterführung und Verhandlung zu diesem Projekt möglich. Im April nahm das Gericht das Ermittlungsverfahren wieder auf. “Wir haben dann in kurzer Zeit nachgewiesen, dass sich durch das Projekt, obwohl es sich im NATURA2000 Gebiet befindet, keine erheblichen Auswirkungen durch die S8 auf dieses Gebiet ergeben würden. Zusätzlich haben wir nachgewiesen, dass es keine bessere Variante für dieses Vorhaben gibt. Das könnte für das spätere Verfahren noch wichtig werden”, so Walcher von der ASFINAG.
“Das ist aus meiner Sicht demokratiepolitisch bedenklich.”
Das Verfahren wurde also Mitte Oktober im BVG wieder aufgenommen. “Leider stimmte der neue Sachverständige des Gerichts unserer Darstellung nicht zu. Und er hat behauptet, dass es sich hier um derart erhebliche Auswirkungen handeln würde, dass diese nicht kompensierbar sind. Für uns völlig unverständlich wurde das Ermittlungsverfahren danach vom Gericht wieder geschlossen. Dadurch wurden keine zusätzlichen Einbringungen mehr erlaubt. Das ist aus meiner Sich demokratiepolitisch bedenklich”, so Walcher.
Jetzt gäbe es laut Walcher drei Möglichkeiten wie das Gericht entscheiden kann:
- „Wenn unser Antrag abgewiesen wird wären wir dann wieder ganz am Anfang der Geschichte.
- Die zweite Variante ist die Zurückweisung an die erste Instanz, dann müsste das Umweltverträglichkeitsverfahren beim Bundesministerium wiederholt werden.
- Und die dritte Variante, die wir mit aufwändigen rechtlichen Schriftsätzen urgiert haben, das Ermittlungsverfahren wieder aufzunehmen. Wie das Gericht entscheidet wissen wir nicht.”
Landschaftsökologe Thomas Knoll: “Das ist eine sehr unglückliche Lage sowohl für die Bürger als auch für den Naturschutz. Die Frage “Was ist wichtiger, der Vogel oder die Menschen?” hätte sich gar nicht stellen sollen, wenn alles ideal verlaufen wäre. Es treffen hier zwei unbestreitbare Schutzgüter aufeinander: Einerseits der Schutz der Bürger an der B8. Die Region hat große Entwicklungsschwächen, aufgrund des Infrastrukturmangels werden auch viele Umwidmungen für wirtschaftliche Vorhaben nicht mehr durchgebracht. Dem gegenüber steht ein ebenso wichtiges Netzwerk von NATURA2000, das in ganz Europa unsere wichtigsten Naturschätze beschützen soll.”
“Die Lösung der Probleme kann nur in einem Ausnahmeverfahren liegen.”
Laut Knoll treten solche Konflikte aber nicht zum ersten Mal auf: “Die Lösung für die Probleme kann wohl nur in einem Ausnahmeverfahren liegen. Das Gericht sollte hier mitteilen wann und wo das stattzufinden hat.” Ein Ausnahmeverfahren brauche jedoch einen guten Grund: “Dieser Grund ist durch die Gesundheitsgefährdung vieler Menschen an der B8 eindeutig gegeben”.
Triel-Experte Rainer Raab zeigte zu Beginn seines Statements ein Foto des Triels, das in Markgrafneusiedl aufgenommen wurde: “Das Foto zeigt den Triel also direkt im Triel-Schutzgebiet NATURA2000, das in der Region rund um Markgrafneusiedl extra für den Triel eingerichtet und vom Land nun vergrößert wurde.” Laut Raab sei der Triel ein Schotterbrüter: “Früher gab es diese Schotterflächen ausreichend an der Donau. In dieser Form gibt es sie in unserer Region aber leider kaum mehr. Deshalb ist der Triel auf große Schotterabbau-Gebiete ausgewichen und hat dort für viele Jahrzehnte einen wunderbaren Lebensraum vorgefunden.”
Man könne sich laut Raab fragen, wozu diese zwei Triel-Brutpaare so viele Lebensraum brauchen: “Wir haben daher mit viel Aufwand ein Modell erstellt, wo die ideale S8-Trasse verlaufen sollte, wenn man beachtet, wo sich der Triel die letzten Jahre aufgehalten hat.”
“Wo sonst wäre es ideal eine Straße zu bauen, wenn nicht dort?”
Gänserndorfs Bürgermeister Rene Lobner: “Als Regionsvertreter hoffe ich natürlich, dass wir hier sehr rasch zu einer Lösung kommen, mit der sowohl der Menschen-Schutz als auch der Tierschutz entsprechend umgesetzt werden kann. Wir brauchen diese Entlastung und die Lebensader S8 ganz dringend und so schnell wie möglich.”
Als Marchfelder kenne er die Region “natürlich sehr gut. Die Schotterabbauflächen in Markgrafneusiedl südlich von Strasshof zählen sicher nicht zu den schönsten Gebieten Österreichs. Wenn man im Westen Österreichs von einem NATURA2000 Gebiet spricht, hätte man wohl ganz andere Vorstellungen wie so ein Gebiet ausschaut. Wenn man diese Region vor Ort sieht kann man dem daher nur mit einem Schmunzeln begegnen. Wo sonst wäre es ideal eine Straße zu bauen, wenn nicht dort?”
Hannes C. Huber
Am Bild: Die Diskussion zur S8 wurde auf Youtube live übertragen. Von links oben nach rechts unten: ASFINAG Geschäftsführer Alexander Walcher, Landschaftsökologe Thomas Knoll, Mobilitäts-Landesrat Ludwig Schleritzko, Gänserndorfs Bürgermeister, Landtagsabgeordneter René Lobner und Triel-Experte Rainer Raab.
Foto: Youtube
Aha. Das Land vergrößert das Naturschutzgebiet und erreicht WAS GENAU damit? Bekommt dann der Triel einen Bescheid zugestellt, dass er sich paar hundert Meter in die Seite bewegen soll mit seinen Brutplätzen? S8 – eine Geschichte geschrieben von ************?