Vor der letzten Gemeinderatswahl wurde in Wolkersdorf mit dem “Team Wolkersdorf – Die Volkspartei” neben der ÖVP Wolkersdorf eine “zweite ÖVP-Liste” gegründet. Das Team Wolkersdorf erreichte ca. 22 Prozent der Stimmen und stellt seit der letzten Gemeinderats-Wahl mit Dominic Litzka den Bürgermeister. Möglich wurde das durch eine Koalition, genannt “Zukunftspartnerschaft”, mit SPÖ, Grünen und der Bürgerliste “MIT:uns”. Unter der Führung von ÖVP-Stadtparteiobfrau Anna Steindl wurde die ÖVP Wolkersdorf mit etwa 41 Prozent der Stimmen in der aktuellen Gemeinderats-Periode eine starke und sehr unangenehme Oppositionspartei.
Anna Steindl gibt alle politischen Funktionen auf
Vor einer Woche dann die Riesen-Überraschung: Anna Steindl legte ihr Gemeinderats-Mandat zurück und wird am 15. Dezember nicht mehr zur Wahl der ÖVP-Stadtparteiobfrau antreten. Sie wird somit alle politischen Funktionen beenden. Nur ihre beiden ehrenamtlichen Aufgaben bei “WOLKiMobil” und dem Wolkersdorfer Sozialmarkt “SOMA” wird sie fortsetzen.
Somit ist der Weg frei für Bürgermeister Dominic Litzka. Er wird am 15. Dezember zum neuen Stadtparteiobmann der ÖVP Wolkersdorf gewählt. Das gilt als sicher, da nur er für diese Funktion zur Wahl stehen wird. Mit dieser Funktion wird er quasi zum Chef beider ÖVP-Wahl-Listen in Wolkersdorf. Man könnte es nun auch so sehen, dass in Wolkersdorf ab sofort 20 ÖVP-Mandatare 9 Mandataren anderer Parteien gegenüber sitzen. Vonseiten der ÖVP haben sich Martin Stöckl, Niklas Kieser und Astrid Holzer bereiterklärt, als Bindeglied zwischen den zwei Fraktionen zu fungieren und die Arbeit in der Partei und in der Gemeinde zu koordinieren. Durch neue interne Abstimmungs- und Kommunikationsprozesse wird versucht, eine Kooperation zwischen den beiden VP-Listen aufzubauen und gemeinsame Lösungen zu finden. Als weiteres sichtbares Zeichen wurde vereinbart, dass Astrid Holzer zur Stadtparteiobmann Stellvertreterin und geschäftsführenden Stadtparteiobfrau gewählt werden sollen.
Steindl: “Konnte im Gemeinderat bei
Selbstbereicherung nicht mehr zuschauen”
Steindl erklärt ihren Rücktritt so: “Die konstruktive Zusammenarbeit im Gemeinderat war schon einige Zeit nicht mehr so möglich, wie ich mir das vorgestellt hätte. Und dann kam vor kurzem noch der Skandal der Baugrundvergabe an einen Gemeinderat vom Team Wolkersdorf. Die Grundstücke wären für Wolkersdorfer Familien als leistbarer Wohnraum gedacht gewesen. Ich konnte hier im Gemeinderat einfach nicht mehr mitspielen und zuschauen, wie ein Gemeinderat sich und seine Familie hier persönlich bereichert.” Die Zukunftspartnerschaft habe laut Steindl “einfach alles niedergestimmt. Auch bei der sehr fragwürdigen Grundstücksvergabe wurde die Bereicherung des Gemeinderates vom Team Wolkersdorf von Litzka und Hackl verteidigt. Wir sind daher mit der ÖVP Wolkersdorf aus dem Gemeinderat ausgezogen, damit weitere Zeit bleibt, um diesen Fall nochmal zu überdenken. Es half alles nichts.” Auch einige Personalbesetzungen, die laut Steindl ohne Ausschreibung erfolgten, waren für sie nicht vertretbar.
“Entschieden wird Wolkersdorfs Zukunft
ab sofort wohl nur noch bei internen ÖVP-Sitzungen.”
Sie kann sich nicht vorstellen, wie es funktionieren soll, “dass die ÖVP Wolkersdorf weiterhin eine starke, kontrollierende Oppositionspartei bleibt, wenn Bürgermeister Litzka vom Team Wolkersdorf gleichzeitig auch Stadtparteiobmann der ÖVP Wolkersdorf ist.” Auch um den Vorsitz der ÖVP Wolkersdorf beim Prüfungsausschuss macht sie sich Sorgen: “Der Prüfungsausschuss wird sicher anders ausgeübt, wenn er von einer starken Oppositionspartei geführt wird. Wenn die ÖVP Wolkersdorf jedoch ebenfalls vom Bürgermeister kontrolliert wird, sehe ich diese Kontrollfunktion in Gefahr”. Der Wolkersdorfer FPÖ-Obmann Wolfgang Marzy sieht die Entwicklung der beiden ÖVP-Listen in Wolkersdorf ebenfalls kritisch: “Das ist eine traurige Show der ÖVP. Vor der Wahl wird hoch und heilig versprochen, dass die beiden ÖVP Listen niemals vereinigt werden. Und jetzt ist es doch geschehen”.
Er sieht “Betrug am Wähler. Denn die ÖVP Wolkersdorf ist mit Steindl als klare Spitzenkandidatin in die Wahl gegangen. Diese 40 Prozent sind sicher zu einem großen Teil aufgrund ihrer Person zustande gekommen. Und jetzt plötzlich vereinigen sich beide ÖVP-Listen und haben zusammen über 60 Prozent.” Marzy befürchtet, “dass es schon bald wieder so laufen wird, wie unter Steindl als Bürgermeisterin. Die ÖVP macht alles im stillen Kämmerlein aus und die anderen Parteien werden nur noch formhalber gefragt. Entschieden wird Wolkersdorfs Zukunft ab sofort wohl nur noch bei internen ÖVP-Sitzungen.” Er vermutet, “dass die Zukunftspartnerschaft am Anfang zwar noch formell bestehen wird, aber noch vor der nächsten Wahl wird die ÖVP wohl diese Zusammenarbeit mit den anderen Parteien beenden und nur noch die Mehrheiten der beiden ÖVP-Listen nutzen”.
Litzka: “Ein Mann ein Wort! Zukunftspartnerschaft wird fortgesetzt”
Team-Wolkersdorf-Bürgermeister Dominic Litzka verneint das vehement: “Ich sage hierzu nur: Ein Mann ein Wort. Die Vereinbarungen mit SPÖ, Grünen und MIT:uns werden natürlich eingehalten. Vertrauen und Handschlag-Qualität sind die wichtigsten Kriterien für politische Zusammenarbeit. Die erfolgreiche Zukunftspartnerschaft wird genau so fortgesetzt wie bisher.”
Für Litzka steht “nach wie vor die politische Zusammenarbeit über politische Parteigrenzen hinweg” im Vordergrund. Die Definition “Opposition” sieht er nicht als “von der Gemeinde-Ordnung vorgegeben”. Es sei ohnehin Aufgabe aller Parteien alle politischen Vorgänge kritisch zu hinterfragen, zu prüfen und eigene Ideen einzubringen. Das ändere sich laut Wolkersdorfs Bürgermeister auch durch die neue Kooperation der beiden ÖVP-Listen in Wolkersdorf nicht.
Für Litzka geht es jetzt nicht “um die Aufarbeitung von Streitereien und persönlichen Befindlichkeiten der letzten Jahre, sondern es geht jetzt um die besten Lösungen und die beste Zukunft für Wolkersdorf.” Der Zeitpunkt der besseren Zusammenarbeit der beiden ÖVP-Listen sei für Wolkersdorf laut Litzka jedenfalls gut: “Wir leben ohnehin gerade in einer schweren Krise durch die Corona-Pandemie. Da ist es gut, wenn wir gerade jetzt die Kräfte für Wolkersdorf bündeln und die Zusammenarbeit aller Parteien im Gemeinderat weiter verbessern können.”
“Vielleicht wird dadurch in Zukunft noch konstruktiver zusammengearbeitet – auch mit der ÖVP Wolkersdorf”
Auch SPÖ-Vizebürgermeister Albert Bors sieht “für die Zukunftspartnerschaft keine Gefahr. Die Arbeit wird in Wolkersdorf zwischen diesen vier Parteien in bewährter Weise fortgesetzt.” Er sieht die ÖVP-Kooperation positiv: “Vielleicht wird dadurch in Zukunft noch konstruktiver zusammengearbeitet. Vor allem bei der ÖVP Wolkersdorf war das bisher ja nicht immer so einfach.” Was die neue Kooperation für die beiden ÖVP-Listen in Wolkersdorf heißen wird will er nicht kommentieren: “Das ist Sache der ÖVP. Dazu sage ich nichts. Ich gratuliere Dominic Litzka zur neuen Funktion des Stadtparteiobmannes der ÖVP Wolkersdorf. Die Strukturen der Parteien mit eigenen Linien und eigenen Klubobmännern bleiben ja die gleichen.”
“War klar, dass die beiden ÖVP-Listen
unter Druck von Landespartei irgendwann zusammenfinden”
Christian Schrefel, Sprecher der Wolkersdorfer Grünen: “Rein formal bleiben es ja 2 getrennte Listen. Dass die ÖVP im Hintergrund mit freundschaftlichem Druck der Landespartei an einer Vereinigung der beiden Listen arbeitet war ja klar. Ich bin mir aber trotzdem sicher, dass die Zukunftspartnerschaft auch die nächsten Jahre wie vereinbart gut zusammenarbeiten wird.
Man habe in den letzten Jahren “potentielle Konflikte innerhalb der Zukunftspartnerschaft gut gemeistert, daher wurde die Vertrauensbasis gestärkt. Es wird natürlich immer Kräfte geben, die Keile reintreiben wollen. Aber die konstruktiv denkenden Menschen werden in Wolkersdorf immer überwiegen.” Dass die ÖVP ihre neue Mehrheit mit den beiden kooperierenden ÖVP-Listen in Wolkersdorf nutzen wird um die anderen Parteien auszuhebeln und gar nicht mehr zu fragen, glaubt Schrefel nicht: “Es wird weiterhin einzelne Parteien mit unterschiedlichen Ideen in Wolkersdorf geben, die aber gut und konstruktiv zusammen arbeiten. Es wird sicher nicht mehr so wie früher bei Steindl ablaufen, weil die hat ja nur sich selbst gefragt.”
Martin Stöckl, Klubobmann der ÖVP Wolkersdorf: “Man hat sich auf diese neue Zusammenarbeit geeinigt, weil wir ja alle der ÖVP nahe sehen. Es macht Sinn, die reguläre Parteiarbeit gemeinsam anzugehen. Wie genau diese Zusammenarbeit auf Gemeinderats-Ebene funktioniert werden wir sehen. Grundsätzlich bestand der Stadtparteivorstand der ÖVP Wolkersdorf auch bisher aus Personen aus beiden ÖVP-Wahl-Listen. In Zukunft unter dem Vorsitz von ÖVP-Bürgermeister Dominic Litzka als ÖVP-Stadtparteiobmann, der ja auch davor schon Mitglied des ÖVP-Ortsparteivorstandes war”.
Stöckl: “Zustand war zermürbend und energieraubend”
In den letzten eineinhalb Jahren bestand laut Stöckl “die Hauptaufgabe der ÖVP Wolkersdorf darin, Missstände und Fehlentscheidungen seitens der regierenden Parteien in den Gemeinderatssitzungen aufzuzeigen und zu kritisieren. Wir konnten aber leider nur wenig erreichen und auch unsere wertvollen Ideen nicht einbringen, da es keinerlei Gesprächsbasis zwischen der TEAM- und der ÖVP-Fraktion gab. Dieser Zustand war für uns alle sehr zermürbend und energieraubend.”
Stöckl erklärt: “Die beiden VP-Fraktionen haben sich nun entschlossen, gemeinsam einen neuen Weg einzuschlagen. So ist es uns in Zukunft möglich, Entscheidungen im Vorhinein zu beeinflussen und Probleme auszudiskutieren. Wir werden aktiv in der Gemeindepolitik mitarbeiten und mitentscheiden und erste Schritte in eine kooperative Zukunft mit dem TEAM gehen. Selbstverständlich werden wir weiterhin die wichtige Kontrollfunktion im Gemeinderat wahrnehmen und zukünftige Entscheidungen und Beschlüsse kritisch hinterfragen und im Sinne unserer Wähler mitbestimmen. Wir werden versuchen, auch die übrigen Parteien davon zu überzeugen, dass es nicht vernünftig ist, auf die Mitarbeit der größten Fraktion zu verzichten.”
Hannes C. Huber
Am Bild: Verhandlungsteam der beiden Volksparteilisten: Astrid Holzer, Niklas Kieser, Rudolf Maurer, Martin Stöckl, Veronika Strobel und Dominic Litzka.
Foto: ÖVP Bezirk Mistelbach