Kürzlich waren beim zwei ganz große Persönlichkeiten im Kulturverein KU.BA in Wittau zu Gast. Zuerst hat Erika Pluhar aus Ihrem Buch Stimme erkennen gelesen. Ihre Texte hat sie dabei so gewählt, dass sie zu aktuellen Themen zum Nachdenken anregen. Speziell für das KU.BA Publikum erzählte Erika Pluhar von einer lieben Wittauer Freundin. Ein anregender und unterhaltsamer Dialog mit Pfarrer Helmut Schüller bildeten den Abschluss für einen großartigen Kultur-Abend.
Erika Pluhar – die Stimme erheben
Viele der Artikel und Reden, die Erika Pluhar in ihrem Buch „Die Stimme erheben“ zusammengefasst hat, sind schon viele Jahre alt. Und doch haben sie nichts an Aktualität verloren.
Bevor Erika Pluhar mit der Lesung beginnt, erzählt sie dem KU.BA Publikum, dass sie mit Wittau ihre liebe Freundin Haveli verbindet. Mit den gelesenen Beiträgen „Starke Frauen am Theater“, „Gesehenwerden“ und ein „Perfekter Tag“ gibt Erika Pluhar sehr viel von sich und ihrem Leben als Schauspielerin, den schwierigen Ausstieg aus einer ihr zugedachten Rolle und vor allem als Person öffentlichen Interesses preis.
Am Puls der Zeit
In ihrem Artikel „Die Katastrophe“ lässt sich der Tsunami von 2005 durch den aktuellen COVID-Virus ersetzen. Ob wir Erika Pluhar jetzt ihren Wunsch nach Empathie auch fern medialer Hypes und im persönlichen Alltag erfüllen können?
Anlässlich eines Anti-Depressions-Kongress in München schrieb Erika Pluhar ihr Referat „Depression“. Anhand ihrer eigenen Erfahrungen zeigt sie auf, was Depression tatsächlich bedeutet und schafft damit mehr Empathie für die vielen Menschen, die nach dem Corona-Lockdown täglich mit Depressionen kämpfen.
Manche Utopie hat uns vielleicht schon die richtigen Schritte zum Thema Integration setzen lassen. nach wie vor zeigt der Beitrag für den Verein „Projekt Integrationshaus“, wie schwer Integration zu leben ist. Veranschaulicht hat das Erika Pluhar mit einer kleinen Anekdote mit ihrer Wittauer Freundin, die bei einem Weihnachtsmahl ihren Unmut über die Küche der Neger geäußert hat. Auf den dezenten Hinweis von Erika Pluhar, dass ihr Enkelsohn ja eigentlich auch ein Neger ist, antwortete Haweli: „Nein – der doch nicht!“
Mit Trotzdem – ein Begriff, der schon in jungen Jahren für sie lebensnotwendig geworden ist – beendete Erika Pluhar ihre sehr emotionale Lesung zum Teil auch singend.
Im Dialog mit Mag. Helmut Schüller
Im Anschluss an die Lesung nahmen Erika Pluhar und Pfarrer Helmut Schüller aus Probstdorf zu aktuellen Themen Stellung:
Corona / Lockdown
Erika Pluhar zeigt ihr Mitgefühl für die Kunstszene – wobei bei ihr nicht jede/r die Bezeichnung Künstler verdient. Unverständlich ist ihr warum die Menschen nicht einen Sommer darauf verzichten können, ans Meer zu fahren.
Sie verweist auch hier auf Ihren Artikel „Die Katastrophe“, der zeigt, dass wir oft viel zu sehr auf die eigene Situation fixiert sind und nicht an die vielen Menschen denken, die es noch viel schwieriger haben – weil sie weit weg sind und uns nicht berühren.
Für Helmut Schüller hat der Lockdown auch sehr viel positive Energie gezeigt. So wurden auf einmal Zusammenkünfte im Pfarrgarten möglich, bei denen jeder mitgeholfen hatte.
Beide waren sich einige, dass sie die Bussi-Bussi-Gesellschaft nicht vermissen und sahen den neuen Umgang miteinander, mehr aufeinander achten … als positive Folge von Corona.
Wie weit ist Widerstand notwendig?
Für Erika Pluhar ist Widerstand unerlässlich, wenn man mit sich selbst im Einklang leben möchte. Opportunismus, der sich mit allem einverstanden erklärt, ist der Feind des Menschen.
Für die Menschen ist es lebensnotwendig, sich ihre Haltung, ihr Selbst zu bewahren. Erika Pluhar hat mit ihrem Leben bewiesen, wenn man etwas gerne tut, macht man es gut und kann dafür einstehen. Die aktuelle Leistungsgesellschaft und Faschismus findet sie daher widerwärtig, weil sie uns kaputt machen.
Auch Helmut Schüller bevorzugt Geradlinigkeit und Ehrlichkeit. Weil das einerseits weniger Energie braucht – wenn man sagt, was man denkt, braucht man nicht nachdenken, was man gesagt hat – und auch in anderen Menschen die Lust auf Widerstand weckt. Letztendlich ist in allen von uns ein Revolutionär – doch es wird uns abgewöhnt, zu etwas zu stehen.
Der gemeinsame Konsens war, dass Widerstand auch viel mit der Angst zu tun hat, die in uns wohnt. Mut gehört dazu, mit der eigenen Angst umzugehen. Für manche ist Mut Angst, die gebetet wird.
Helmut Schüller zur Kunst
Für Helmut Schüller sind Kunst und Kirche zwei verschiedene Spielarten von ein- und demselben. So hat Theater historisch sehr viel mit Religion zu tun. Eine Lesung ist auch Seelsorge und ein Gottesdienst ist auch eine Darstellung – ein heiliges Spiel.
Erika Pluhar zur Kirche
Aufgewachsen als religiöses Mädchen war die Kirche ein wesentlicher Input, der Erika Pluhar zum Theater spielen gebracht hat.
Kunst und Künstlern steht Erika Pluhar sehr distanziert gegenüber. Wobei sie die künstlerischen Bereiche für uns lebensnotwendig hält. Den Künstlern empfiehlt sie, sich nicht als solche zu gebärden. Entweder man ist Künstler oder eben nicht – selbst weiß man das nie so genau.
Das Thema Kunst / Kirche beschließt Helmut Schüller mit einem ein Auszug aus Erika Pluhars Buch „Die Stimme erkennen“, der für ihn Seelsorge pur ist: „Gott, wenn schon, ist weises Gefühl. Und das oberste aller Gefühle und aller Weisheit ist die Liebe.“
Wenn Sie noch einmal von vorne beginnen könnten …
… letztendlich hätten Erika Pluhar und Helmut Schüller alles eh so gemacht, wie’s ist. Für Helmut Schüller würde sich die Frage stellen „Was hätten die anderen gemacht, wenn man selbst anders agiert hätte.“ Erika Pluhar wäre mit ihrer Person als Mutter im Buch über Anna nicht so streng mit sich umgegangen. Und so manche Männergeschichte hätte sie sich auch ersparen können, weil Verliebtheit viel Zeit kostet.
Ein unterhaltsamer Abend mit zwei außergewöhnlichen Persönlichkeiten ist viel zu schnell vorbei gegangen. Trotz Corona-Maßnahmen ist er auch beim KU.BA Publikum sehr gut angekommen und so manche Besucherin und einige Besucher gingen mit einem signierten Buch von Erika Pluhar nach Hause.
Am Bild: Erika Pluhar und Helmut Schüller im Dialog zu aktuellen Themen.
Foto: Robert Reiser